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Und ständig grüßt das Murmeltier



Witwe Kasulske aus Erkners Neu Zittauer Straße kommt am 7. Februar völlig durchgefroren und bei zeitig einsetzender Dunkelheit mit der S-Bahn in Erkner an. Auf dem Heimweg befällt sie ein natürliches Bedürfnis. Aber auf dem Bahnhof gibt es keine öffentliche Toilette, wird es auch in den nächsten Jahren nicht geben. Frau Kasulske weiß aber, im Rathaus findet sie Erleichterung, wenn es denn noch geöffnet ist. Das Glück ist auf ihrer Seite. Recht viele Menschen streben gemeinsam mit ihr ins Rathaus. Ob die alle auch mal müssen?


Nein, Frau Kasulske braucht sich nicht in eine Schlange zu stellen. „Ich weiß mit dem heutigen Abend eigentlich nichts anzufangen. Wenn ich nun mal schon hier bin, folge ich den Anderen in den Bürgersaal“, denkt sie. Die 19. Stadtverordnetenversammlung tagt und die Zuschauerplätze sind gut gefüllt. Als erstes redet der Bürgermeister Kirsch. Kurz und knapp zieht er eine positive Bilanz des vergangenen Jahres mit großen Zahlen aus dem Finanzbereich. Die Arbeitslosenzahlen sind zurückgegangen, der Fußweg vom Bahnhof wird erst nach dem Frost weitergebaut, die S-Bahnsteige erst ab Juni 2012. Bahnlärmmessungen wurden verschoben, Erkner wird vom Fluglärm des BBI betroffen sein, und Erkner begeht in diesem Jahr zwei Jubiläen im Zusammenhang mit Gerhart Hauptmann. „Recht wenig, was das Stadtoberhaupt zu sagen hat“, fühlt Witwe Kasulske. Wenig bis keine Informationen bekommen auch danach die Bürger, die in der Fragestunde ihr Anliegen vortragen. „Weiß hier keiner was Genaues“, fragen sich die Zuschauer. „Oder traut sich Keiner was zu sagen?“ Herr Kirsch meint, er werde in Zukunft nur das Nötigste im Bürgermeisterbericht sagen. Herr Eysser, der Vorsitzende der Stadtverordnung, droht mit einem minimalistischen Protokoll, wenn weiterhin von der LINKEN moniert werde, dass das Protokoll authentisch sein müsse.


„Was geht hier ab?“ fragt sich Witwe Kasulske, als noch vor der eigentlichen Tagesordnung ein Antrag des Vorsitzenden der Stadtverordnung behandelt wird, der die Anfragen der gewählten Vertreter an das Ende der Sitzung verbannen will. Auf der aktuellen Tagesordnung ist das doch so vorgesehen. „Gegen die geltende Geschäftsordnung“, moniert Dr. Lothar Kober von den LINKEN. Egal, die Mehrheit überstimmt die LINKE und nur, weil es juristisch schwierig werden könnte. Und weil es auch nur zwei Themenkomplexe (Fluglärm und Spielhalle bzw. öffentliche Toilette im Bahnhof) gebe, antwortet die Verwaltung sofort auf die Anfragen. Witwe Kasulske hört, dass ihr Problem von vor wenigen Minuten die Stadtverordneten schon jahrelang beschäftigte und eine Lösung noch nicht absehbar ist.


Der nächste Akt, den die Zuschauer jetzt erleben: Anträge der LINKEN werden behandelt. Sie sind, einschließlich der Begründung auf der Seite "Neues aus der Stadtverordnetenversammlung / 19. SVV, 7. Februar 2012" nachzulesen. Die Idee, den vorhandenen, aber unbefestigten Fußgängerweg zwischen Erkner und Woltersorf (auf Berliner Gebiet) so herzustellen, dass er bei jedem Wetter begehbar ist, wird abgelehnt. „Wir geben doch nicht unser Geld für die Berliner aus“, argumentiert der Bürgermeister. Frau Kasulske hat an dieser Stelle bisher wenige der Millionen Berliner langgehen sehen, aber etliche Einwohner von Erkner schon.


Der Antrag der LINKEN zum „Arbeiten und Wohnen am Flakensee“ wird in den Stadtgestaltungsausschuss übergeben und dort weiter beraten. Abgelehnt dagegen von der Mehrheit die LINKE-Idee, die Erkenarerinnen und Erkneraner sofort bei der Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes zu beteiligen. „Schade“, denkt die Witwe Kasulske. Sie hätte vielleicht die eine oder andere Vorstellung darüber gehabt, wie sich ihre Heimatstadt künftig entwickeln könnte.


„Wie immer“, tuscheln die Zuschauer um Frau Kasulske herum, „die Anträge der LINKEN werden abgelehnt.“ So geht es dann auch tatsächlich weiter und man glaubt, im Film „Und ständig grüßt das Murmeltier“ zu sein.


Die Änderung der Straßenbaubeitragssatzung soll nach dem Willen der Verwaltung geändert werden. Die LINKEN wollen die Gleichbehandlung der zukünftigen mit den bisherigen Beitragspflichtigen. Sie möchten wegen der Rechts- und Planungssicherheit eine Satzung, nach der die Straßen der Stadt kategorisiert werden. Die Mehrheit will davon nichts wissen. Die Straßenbaubeitragssatzung wird letztlich nach einem Vorschlag der CDU-Fraktion in zwei Punkten geändert. Das Ergebnis: Beitragspflichtige zahlen ab sofort 60 Prozent der Straßenbaukosten. Nur 40 Prozent trägt die Stadt, wenn das entsprechende Recht angewendet werden kann. Handelt es sich aber um eine Neuerschließung, tragen die Bürgerinnen und Bürger sogar 90 Prozent. Witwe Kasulske hofft, dass es sie nie treffen wird, denn dann kann sie ihr Häuschen selbst mit der Witwenrente nicht mehr halten.


Im letzten, jedoch Hauptakt der Stadtverordnetenversammlung ging es um den Haushalt der Stadt für das laufende Jahr. „Das ist in Zahlen gegossene Politik. Im Vergleich zum Vorjahr ist er handwerklich bedeutend besser aufbereitet, aber zustimmen können wir nicht. Seit über einem Jahr ist vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem doppischen Haushalt eine Eröffnungsbilanz vorgeschrieben. Diese fehlt. Damit fehlt die Grundlage der gesamten Rechnung“, sagt Lothar Kober. In <media 31306 - download>Erkner-ungefiltert</media> (ebenfalls auf unserer Internetseite nachlesbar) sind einige Positionen detailliert dargestellt.


Am Ende geht Witwe Kasulske sehr nachdenklich nach Hause. Sie macht sich so einige Gedanken darüber, wessen Interessen im Rathaus eigentlich diskutiert werden. Und sie meint, man sollte viel öfter als Zuhörer oder Fragensteller ins Rathaus gehen.



Dr. Elvira Strauß
Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE
in der Stadtverordnetenversammlung Erkner


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