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DIE LINKEN beim Gedenken am Tag der Befreiung allein


Im Jahr 2007 fasste die Erkneraner Stadtverordnetenversammlung einstimmig den Beschluss, dass in Erkner kein Platz für Rassismus, Rechtsextremismus und Gewalt ist. Gleichzeitig ging es den Stadtverordneten darum, zu signalisieren, dass Erkner nach einem friedlichen Zusammenleben in gegenseitiger Akzeptanz strebt.

Wenn es aber um gelebten Antifaschismus geht, scheint DIE LINKE allein auf weiter Flur zu stehen. In der letzten Stadtverordnetenversammlung sprach der SPD-Vertreter Reimer Hoffmann mit lauter Fragezeichen, als es darum ging, eine neu entstehende Straße der Stadt nach Franz Dahmes, einem Sozialdemokraten, zu benennen. Er meinte, es gebe viele Straßennahmen, die auf Antifaschisten hinweisen und fragte, ob Bürgerinnen und Bürger nicht andere Ideen hätten.

Am 65. Jahrestag der Befreiung Deutschlands von der faschistischen Gewaltherrschaft hatten die Fraktion und Basisorganisation der LINKEN alle Stadtverordneten, den Bürgermeister und die Verwaltung sowie die Einwohner der Stadt zum Gedenken an das Ehrenmal in der Neu Zittauer Straße eingeladen. Gekommen waren leider nur 20 Mitglieder der Basisorganisation der LINKEN und zwei Bürger parteilose Erkners. Dieser Umstand macht mich traurig und mir Angst. Ist schon wieder so viel Gleichgültigkeit unter den Menschen? Ist das Trennende unter den Erkneranern so groß, dass die Lehren aus der Geschichte vergessen werden?

Der 8. Mai ist nicht nur Tag des Kriegsendes oder der Kapitulation, sondern er ist ein Tag, an dem Demokraten öffentlich Gesicht zeigen sollten, so dass neofaschistische Organisationen nicht an Kraft gewinnen können.



Meine Rede aus Anlass des 65. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus:

Vor 25 Jahren hielt der damalige Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 8. Mai im Bundestag eine Rede. Anlass war der 40. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Vielleicht war es die wichtigste Rede, die je in Deutschland zu diesem Thema gehalten wurde. Diese Rede hat mich damals beeindruckt, deshalb zitiere ich:

„Viele Völker gedenken heute des Tages, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende ging. Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk dabei seine eigenen Gefühle. Sieg oder Niederlage, Befreiung von Unrecht und Fremdherrschaft oder Übertragung zu neuer Abhängigkeit, Teilung, neue Bündnisse, gewaltige Machtverschiebungen – der 8. Mai 1945 ist ein Datum von entscheidender historischer Bedeutung in Europa … Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern. Die Menschen, die ihn bewusst erlebt haben, denken an ganz persönliche und damit ganz unterschiedliche Erfahrungen zurück. Ihr Blick ging damals zurück in einen dunklen Abgrund der Vergangenheit und nach vorn in eine ungewisse dunkle Zukunft. Und dennoch wurde von Tag zu Tag klarer, was es heute für uns alle gemeinsam zu sagen gilt: Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Niemand wird um dieser Befreiung willen vergessen, welche schweren Leiden für viele Menschen mit dem 8. Mai erst begannen und danach folgten. Aber wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte. Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen … Der 8. Mai ist für uns vor allem ein Tag der Erinnerung an das, was Menschen erleiden mussten. Er ist zugleich ein Tag des Nachdenkens über den Gang unserer Geschichte“, soweit Richard von Weizäcker.


Ich bin im Jahr 1951 geboren, sechs Jahre nach dem Ende des vom deutschen Großkapital und der faschistischen Politik angezettelten Weltbrandes. Sechs Jahre nach dem Tag der Befreiung von Unterdrückung, blutiger Diktatur und Völkerhetze. Als Jugendliche beschäftigte ich mich gern mit der Geschichte. Ich wollte wissen: Wieso ist mein Großvater, ein Lehrer, dessen Geduld und Menschenliebe ich immer bewundert habe, Mitglied der NSDAP gewesen? Warum ließ sich ein ganzes Volk in diesen Weltkrieg führen? Opa hat die Fragen mir nie überzeugend beantwortet. Die Erfahrungen meines Lebens haben mir aber an vielen Stellen gezeigt, wie manipulierbar ich war und vielleicht noch bin. Ich möchte dazu beitragen, dass die Menschen zu eigenem, humanistischen Denken und zu demokratischer Mitwirkung bei der Gestaltung unserer Gesellschaft befähigt werden. Dazu gehört auch das Recht zum demokratischen Widerstand und zum Protest. Einige nennen es populistisch, andere kriminalisieren sogar den Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, wenn sich Wolfgang Thierse am 1. Mai den neuen Faschisten demonstrativ entgegensetzt. Ich nenne es mutig und konsequent.


Bei Weizäcker fand ich folgende Einschätzung: „Jeder Deutsche konnte miterleben, was jüdische Mitbürger erleiden mussten, von kalter Gleichgültigkeit über versteckte Intoleranz bis zu offenem Hass. Wer konnte arglos bleiben nach den Bränden der Synagogen, den Plünderungen, der Stigmatisierung mit dem Judenstern, dem Rechtsentzug, der unaufhörlichen Schändung der menschlichen Würde? Wer seine Ohren und Augen aufmachte, wer sich informieren wollte, dem konnte nicht entgehen, dass Deportationszüge rollten. Die Phantasie der Menschen mochte für Art und Ausmaß der Vernichtung nicht ausreichen. Aber in Wirklichkeit trat zu den Verbrechen selbst der Versuch allzu vieler hinzu, nicht zur Kenntnis zu nehmen, was geschah. Es gab viele Formen, das Gewissen ablenken zu lassen, nicht zuständig zu sein, wegzuschauen, zu schweigen.“


Vier Jahre nach Kriegsende, am 8. Mai 1949, beschloss der Parlamentarische Rat das Grundgesetz der Bundesrepublik. Über Parteigrenzen hinweg gaben seine Väter und Mütter die Antwort auf Krieg und Gewaltherrschaft im Artikel 1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt." Auch an diese Bedeutung des 8. Mai gilt es heute zu erinnern. Unsere Aufgabe ist es, heute dieses Grundgesetz gegen alle Angriffe zu verteidigen.


Es geht nicht darum, Vergangenheit zu bewältigen. Das kann man gar nicht. Sie lässt sich ja nicht nachträglich ändern oder ungeschehen machen. Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren. Brecht sagt: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem Dies kroch.“


Der Faschismus hat stets damit gearbeitet, Vorurteile, Gleichgültigkeit, Feindschaften und Hass zu schüren. Wenden wir uns von dieser Stelle aus gegen alle Tendenzen, dies erneut mit uns tun zu wollen. Die Stadtverordneten Erkners haben sich 2007 einstimmig gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Gewalt erklärt. Wir verurteilen die Ausgrenzung sozial benachteiligter Schichten in unserem Land, die offene oder verdeckte Hetze gegen ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Der Abbau des Sozialstaates, der Garant für den sozialen Frieden in Deutschland ist, muss aufhören. An die Stelle des ungehemmten Profitstrebens muss wahre Menschlichkeit treten. An die Stelle von Rüstungswahn und Rüstungsexport müssen Abrüstung und die Gestaltung gerechter internationaler Beziehungen gestellt werden. Die Bundeswehr muss aus Afghanistan abziehen. Militärische Auslandseinsätze darf es nirgendwo geben.


Dr. Elvira Strauß
Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE in der Stadtverordnetenversammlung Erkner


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