Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

City-Center-Erkner - Brief von Dr. Kober an Bürgermeister Kirsch

 

 

Dr. Lothar Kober
Stadtverordneter
Försterweg 7

                                                                                                  Erkner, 30. August 2013

Gerhart-Hauptmann-Stadt Erkner
Bürgermeister
Herr Jochen Kirsch
Rathaus Erkner


Fehlende Stichhaltigkeit und Belastbarkeit der jüngsten Beschlüsse der SVV zum Bebauungsplan Nr. 17 City Center Erkner, 1. Änderung



Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

in der 3. außerordentlichen Sitzung der SVV am 30. Juli 2013 hatte ich kurz und knapp darüber gesprochen, welche Unterlagen ich für belastbar bzw. für nicht belastbar halte. Meine Bedenken und Bewertungen möchte ich Ihnen auf diesem Wege nochmals ausführlicher darlegen. Ich verbinde dies mit der Bitte, die weiter unten angeführten Unterlagen und Beschlüsse (ab Nr. 2) auf Stichhaltigkeit und Belastbarkeit vor Gericht prüfen zu lassen.   

  1. Die „Schalltechnische Untersuchung zum Bebauungsplan Nr. 17… vom Juni 2013“, verfasst von den Herren R. Baumgärtel und J. Odebrecht, Planungsgruppe für Immissionsschutz, Stadtplanung und Umweltplanung Berlin (ISU Plan), hat meines Erachtens eine ausgezeichnete Grundlage für die Abwägung aller diesbezüglicher Belange geliefert. In dieser Hinsicht dürfte der Bebauungsplan kaum anfechtbar sein.


  2. Die „Anpassung der verkehrlichen Grundlagen des Bebauungsplanes…, Aktualisierung 2013“, verfasst und ausgeliefert von der Ingenieurgruppe für Verkehrswesen und Verfahrensentwicklung (IVV), Uhlandstraße 158, 10719 Berlin (Tel. 818 772 - 0) im Mai d. J. kann diese Anforderungen nicht erfüllen. Das wird bereits daran deutlich, dass einerseits - wie es in dem Gutachten heißt - der Nachweis der Leistungsfähigkeit des Knotens Friedrichstraße  / Seestraße (Knoten) für die Verkehrsorganisation mit LSA nach HBS mit deutlichen Reserven geführt werden konnte. Die Bearbeiter zweifeln selbst an den Ergebnissen. Denn andererseits wird im Gutachten (S. 47) auf die Unvollständigkeit der bis dato für die Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Knotens in Betracht gezogenen verkehrlichen Grundlagen hingewiesen:


    „Um die Belastbarkeit der Grundlagen für die Abwägung hinsichtlich Verkehrssicherheit und Leistungsfähigkeit zu erhöhen, wird weiterführend eine mikroskopische Verkehrsflusssimulation empfohlen. Hierbei werden die gegenseitigen Einflüsse der Knoten untereinander in stärkerem Maße berücksichtigt, die aufgrund der relativ geringen Knotenabstände entsprechend den Erfahrungen im Hauptstraßennetz der Stadt Erkner nicht ausgeschlossen werden können. Des Weiteren können die vorhandenen starken Fuß- und Radfahrerströme und ihre Wechselwirkungen mit dem motorisierten Straßenverkehr differenzierter dargestellt werden.“


    In der Folge bedeutet dies - abgesehen von dem laufenden Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht – mindestens, dass weitergehende verkehrliche Untersuchungen angestellt werden müssen, bevor überhaupt die LSA geplant, programmiert und umgebaut werden kann. Das kann dauern, wenn nicht sofort das Erforderliche eingeleitet wird.


  3. Die Stadt hat im vergangenen Dezember und im Februar dieses Jahres im Hauptstraßennetz Verkehrszählungen durchführen lassen. Die Verkehrszählung vom Dezember erstellte Frau Dr. Antje Schmallowsky (Tel. 936 672 - 12), Schlothauer und Wauer Ingenieurgesellschaft für Straßenverkehr, Ehrenbergstr. 20 in 10245 Berlin, die vom Februar das brandenburgische Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV). Beide Dokumentationen fehlen in den Unterlagen für die SVV am 30. Juli 2013. Dazu kommt noch, dass die Ergebnisse der Verkehrszählung in der von der IVV erstellten „Anpassung der verkehrlichen Grundlagen…nicht (Schmallowsky) bzw. nur beiläufig (LUGV) erwähnt werden. Es handelt sich hierbei nicht um irgendwelche nebensächliche Unterlagen, sondern um die Kernfrage, die verkehrliche Belastbarkeit des Knotens mit CCE, betreffende Unterlagen.


    Den Stadtverordneten wurden strategische Informationen für die Beurteilung der in Bezug auf die Verhältnisse am Knoten Friedrichstraße / Seestraße geäußerten Anregungen und Bedenken vorenthalten. Die Abstimmungen über die Frage, ob den jeweiligen Anregungen und Bedenken gefolgt wird oder nicht, sind mit diesem Mangel behaftet.



  4. Die Ergebnisse der aktuellen Verkehrszählungen stehen in Widerspruch zu den Annahmen der IVV bezüglich des durchschnittlichen täglichen Verkehrs an verschiedenen Stellen in der Stadt und zur Verkehrssituation in der Nachmittagsspitzenstunde am Knoten, welche die Grundlage für den Nachweis dessen Leistungsfähigkeit mit LSA bilden sollen. Als „maßgebende Belastung des Knotens“ werktags 2025 mit CCE werden für die Friedrichstraße nördlich vom Knoten jeweils 8.100 zum Knoten und vom Knoten wegfahrende Kfz angesetzt, zusammen 16.200 Kfz in 24 Stunden. Am 3. Dezember 2012 waren es ohne CCE bereits 16.097 Kfz, am 4. Dezember 16.363 Kfz und am 5. Dezember 16.011 Kfz. Die Ergebnisse dieser Verkehrserhebung wurden im Gutachten der IVV mit 15.000 Kfz werktäglich ausgewiesen (Bild 17, S. 24), sprich heruntergerechnet. Denn „Werktäglich“ schließt den Sonnabend - einen in der Regel arbeitsfreien Tag - ein. Dies aber ist nur ein Vorspiel zu einem weitaus schwerwiegenderen Fehler.



  5. Die auf Forderung des LUGV nachgeholten aktuellen Verkehrszählungen haben zu einem Jahr Verzug im Änderungsverfahren und zu erheblichen Mehrkosten geführt, um dann unberücksichtigt zu bleiben. In dem Gutachten der IVV heißt es auf Seite 42 dazu:


    „Unter Ansatz der ermittelten maximalen stündlichen Verkehrsaufkommen des CCE (vergl. 5.1.3) und der standardisierten Parameter nach Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS) wird die Belastung der maßgeblichen Spitzenstunde bestimmt. Aufgrund der vielfältig veränderten Randbedingungen und der in der Vergangenheit oft gestörten Verkehrsverhältnisse wird nicht auf erhobene Ganglinien und Knotenstromverteilungen zurückgegriffen."


    Sie wurden ausgeblendet, weil sich ansonsten das Begründungskonstrukt der IVV für den Nachweis der Leistungsfähigkeit des Knotens mit CCE als haltlos erwiesen hätte. Dazu wenige Beispiele aus den Verkehrszählungen.


    • In der Nachmittagsspitzenstunde fuhren auf der Friedrichstraße von Nord in Richtung Knoten ohne CCE 704 Kfz am 4. Dezember, 738 Kfz am 5. Dezember und 718 Kfz am 6. Dezember. Die Bearbeiter der IVV nehmen für die Spitzenstunde 2025 mit CCE auch nur 720 Kfz an.

    • Aus der Friedrichstraße Nord in Richtung Seestraße (Rechtsabbieger) fuhren am 4. Dezember 131 Kfz, am 5. Dezember 128 Kfz und am 6. Dezember 119 Kfz. In der Spitzenstunde 2025 mit CCE sollen es 250 Kfz, also rund 125 Kfz mehr sein. Geradeaus von Nord nach Süd durch den Knoten sind am 4. Dezember 573 Kfz, am 5. Dezember 610 Kfz und am 6. Dezember 599 Kfz gefahren. 2025 sollen es nach den Vorstellungen der IVV 470 Kfz sein. Der Geradeausverkehr soll demnach um ca. 110 Kfz zurückgehen. Ähnliche Unterschiede lassen sich für die Kfz-Zahlen von Süd nach Nord belegen.


    Die aktuellen Verkehrserhebungen bestätigen die vom Planungsbüro Dr. Hunger (Gottfried-Keller-Str. 24 Dresden) im Verfahren vor dem OVG vorgebrachten Bedenken gegen die Leistungsfähigkeit des Knotens mit CCE (Siehe: Stellungnahme zur verkehrsplanerischen Bewertung der geplanten Verkehrserschließung des City-Center Erkner sowie zum aktuellen Verkehrsgutachten vom Januar 2012“, das vom März 2012 datiert ist.


    Es war ein Fehler, die Ergebnisse der Verkehrszählungen vom Dezember 2012 und vom Februar 2013 auf die oben skizzierte Art und Weise auszublenden. Das sollte korrigiert werden. Die Ergebnisse spiegeln repräsentativ die Verkehrssituation auf dem innerstädtischen Netz an Hauptstraßen wider, das nach Lage der Dinge in den nächsten ein, zwei Jahrzehnten keine Änderungen oder Ergänzungen erfahren wird.



  6. IVV bleibt auch in der Aktualisierung 2013 der Anpassung der verkehrlichen Grundlagen des Bebauungsplanes City Center Erkner … methodisch bei dem Verfahren, dass für die Vorbereitung des Bundesverkehrswegeplanes bzw. des Landesstraßenbedarfsplanes angewendet wird, nämlich alle Berechnungen auf einen Prognosezeitpunkt, hier 2025, zu beziehen. So berechtigt dieses Verfahren für die angeführten Pläne ist, so ungeeignet erscheint es in diesem konkreten Fall. Das CCE kann, sofern der Investor in Kürze grünes Licht für die Fortsetzung des Baues gibt, in zwei Jahren eröffnet werden. Was interessieren in diesem möglichen Fall Prognosen für 2025, die zudem „frisiert“ sind?


    Der Knoten Friedrichstraße / Seestraße muss ab dem Tag der Eröffnung neben den bereits vorhandenen Verkehrsmengen den durch das CCE induzierten zusätzlichen Verkehr nachweislich verkraften. Dieser Beweis sollte meiner Meinung nach schnellstens erbracht werden.

 

Im Übrigen zeugt es von keinem guten Stil, die Stadtverordneten über Anregungen und Bedenken abstimmen zu lassen, die zum alten Entwurf der Änderung des Bebauungsplans, Stand Juni 2012 geäußert wurden. Das betrifft insbesondere die Stellungnahme der Grawert Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Monbijouplatz 12, Berlin, Posteingang in der Stadt am 26. Oktover 2012, und die Stellungnahme des Landkreises Oder-Spree vom 17. Oktober 2012.

In der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung am kommenden Dienstag werde ich dieses Schreiben zur Information der Mitglieder zu Protokoll geben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Lothar Kober
Mitglied in den Ausschüssen Stadtentwicklung, Bauplanung, Natur- und Umweltschutz, Verkehr sowie Finanzen, Haushaltsplanung, Wirtschaftsförderung, Tourismus