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Nachrichten aus dem Kreis


Dr. Artur Pech Zur Eröffnung des sechsten Kreistages des Landkreises Oder-Spree

Sehr geehrte Damen und Herren,

Heute beginnt der sechste Kreistag des Landkreises Oder-Spree mit seiner Arbeit.

Nach §37 Abs.3  der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg  obliegt die Leitung der konstituierenden Sitzung  bis zur Wahl des Vorsitzenden dem an Lebensjahren ältesten, nicht verhinderten Mitglied des Kreistages.

Ich wurde am 7. August 1947 geboren und frage der guten Ordnung halber:  Ist eine ältere Abgeordnete  oder ein älterer Abgeordneter des Kreistages anwesend?

Bevor wir in die Erledigung der uns in verschiedenen Rechtsvorschriften vorgegebenen Aufgaben eintreten ist der Moment, das Augenmerk auf übergreifende Fragen richten.

 Vor einem halben Jahr konnten wir den 25. Jahrestag der Gründung  unseres Landkreises begehen. Da war Gelegenheit, sich an erfolgreiche und auch turbulente Abschnitte dieser für einen einzelnen Menschen langen Zeit zu erinnern.

Der Kreistag steht nun in der Verantwortung, sich mit weiter wirkenden Ereignissen der Geschichte und mit neu herangereiften Fragen auseinander zu setzen und zeitgemäße Lösungen zu finden.  

Im September vorigen Jahres hat der Kreistag erstmals bei unseren polnischen Nachbarn getagt. Damit wurde ein neuer Abschnitt der gutnachbarlichen Zusammenarbeit eingeleitet. Diese Entwicklung hat der neu gewählte Kreistag aufzunehmen und angemessen weiter zu führen.

Bei allen Einzelheiten, die uns da im Tagesgeschäft bewegen, dürfen wir nicht vergessen:

Noch bevor dieser Kreistag zu seiner nächsten ordentliche Tagung zusammentritt, wird sich am ersten September der deutsche Überfall auf Polen, der Beginn des zweiten Weltkrieges, zum 80. Male jähren.

Ich denke, der Landkreis Oder Spree sollte zu diesem Tag  seine polnischen Partnerkreise zu einem gemeinsamen Gedenken einladen. Gerade angesichts aktueller Irritationen erscheint mir eine solche Geste der Verantwortung notwendig. Sie entspricht dem Satz, den sich Brecht für eine deutsche Hymne dachte:
 „Und nicht über, und nicht unter andern Völkern wollen wir sein
von der See bis zu den Alpen, von der Oder bis zum Rhein.“

Bei uns finden sich im Kleinen die Widersprüche, die in den letzten 30 Jahren im Osten insgesamt Deutschlands herangereift sind.

Zu seiner Gründung 1993 hatte der Landkreis   rund 188 Tausend Einwohner. 2017 waren es 10.000 weniger.

Die Zahl der in Eisenhüttenstadt lebenden Menschen hat sich in den letzten 30 Jahren etwa halbiert: von mehr als 53.000 auf rund 25.000.
Und während sich die Zahlen  für Fürstenwalde oder Erkner nur geringfügig änderten, sind sie  für Schöneiche um etwa die Hälfte gewachsen.

Daraus  erwachsen Anforderungen an das, was im Bürokratendeutsch „Ausgleichsfunktion des Landkreises“ genannt wird und worüber der Kreistag ganz praktisch zu befinden hat.

Das wird  umso wichtiger, je mehr aktuelle Probleme die Sorgen der Menschen befeuern.

Wie sollen denn die Leute in Eisenhüttenstadt reagieren, die in drei Jahrzehnten eine Halbierung  ihrer Stadt erlebt haben, wenn sie vor wenigen Monaten in den Medien die Auseinandersetzung um die mögliche Schließung des Stahlwerkes  erleben mussten?

Wen anders sollen sie für diese Entwicklung anders verantwortlich machen als jene, die regieren und die politische Verantwortung tragen?

Der Kreistag kann in solche Prozesse nur sehr bedingt eingreifen. Aber Möglichkeiten hat er durchaus.

Das reicht von einer flächendeckenden medizinischen Versorgung über einen öffentlichen Personennahverkehr, die sich nicht auf die Schülerbeförderung reduziert, bis zu einer Struktur der staatlichen weiterführenden Schulen, die allen Kindern die für sie angemessenen Bildung sichert und das Bildungsergebnis nicht zu einer Funktion des Einkommens der Eltern macht.

Und nicht zu vergessen: Nach vielen Jahren wirtschaftlicher Prosperität leben im Landkreis noch deutlich über 10.000 Menschen in Strukturen, die von Hartz-IV-Theoretikern „Bedarfsgemeinschaften“ genannt werden. Ihre Lebenslage wird wesentlich von der Arbeit des kreislichen Jobcenters geprägt. Ihnen sollte künftig auch in der Arbeit des Kreistages die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Es wird sicher im Kreistag auch künftig Auseinandersetzungen geben. Ich wünsche uns dafür einen kulturvollen Umgang miteinander und den nötigen Respekt vor den demokratischen Regeln.

Der Schriftsteller Maxim Gorki verbrachte in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts einige Zeit in Bad Saarow.

Lassen Sie uns im Kreistag dafür arbeiten, dass sich die Menschen im Landkreis ohne Einschränkungen sein Wort zu eigen machen können:
 

„Das Herrlichste der Welt ist, einen neuen Tag zu sehen.“